Eine Seefahrt, die ist ...

04. September 2017

Am Montagmorgen stehen wir zeitig auf. Der Abfahrttermin ist gegenüber dem letzten Fahrplan, der unten abgedruckt ist, zwei Tage vorgezogen. Bei Unikai im Hafen gehen wir zunächst zum Abfertigungsgebäude und melden uns im Eingangsbereich bei der Wache. Nach Vorzeigen unserer Reisepässe erhalten wir zügig unseren Einfahrtschein. Ein Fahrzeug der Hafen-Security fährt vor uns her zur Grande America. Den Großen Wagen müssen wir zunächst noch am Rand abstellen. Wir selbst können sofort an Bord gehen, wo wir schon unten an der Rampe vom Kapitän und dem für Passagiere zuständigen Steward (=Messman) begrüßt und nach oben begleitet werden. Die Kabinen liegen auf Deck 12. Wir richten uns in unserer geräumigen Eignerkabine ein wenig ein, schauen von oben kurz nach dem MAN. (Könnt Ihr ihn entdecken?) Dann geht es schon zum Mittagessen, das bereits um 11 Uhr serviert wird. Auf dem schön gedeckten Tisch erwartet uns nun (fast) jeden Tag der ausgedruckte Speiseplan; das Essen wird vom italienischen Koch Salvatore zubereitet und ist gut und reichhaltig. Bisher sind wir angenehm überrascht.

 

 

 

 

Nachmittags können wir dann den MAN an Bord holen. Nun ist abgesehen von einer ersten Sicherheitsbelehrung, bei der wir auch die Brücke besuchen, nichts mehr zu tun. Wir verbringen Stunden an Deck bei angenehm warmem Wetter, genießen die Ausblicke auf Hamburg, schauen aber vor allem dem quirligen Treiben zu. Container werden verladen, riesige Paletten mit Maschinen und Holz werden aufs Schiff gebracht. Vor allem aber werden unzählige PKW auf die einzelnen Decks gefahren, darunter viele Neufahrzeuge, aber auch viele ältere Modelle bis hin zu solchen, die bei uns ausgemustert werden.




Es heißt, das Schiff würde irgendwann zwischen 20.30 Uhr und Mitternacht ablegen. So bleiben wir nach dem Abendessen noch lange auf Deck, aber es tut sich nichts. Zumindest erleben wir einen fotogenen Sonnenuntergang. Letztendlich gehen wir dann ins Bett. Um 3 Uhr in der Nacht wachen wir auf - wir haben gerade abgelegt. Aus unserer Kabine bewundern wir die eindrucksvolle Kulisse. Die Fahrt führt uns langsam und erstaunlich nah an schön beleuchteten Gebäuden vorbei. Nach Tagesanbruch sitzen wir bis mittags bei gutem Wetter auf Deck. Wir verlassen die Elbe, der Lotse geht von Bord. Das Schiff nimmt nun mehr Fahrt auf. Später zieht es sich zu, es fängt an zu regnen. Die See bleibt erstaunlich ruhig.


Bei Sonnenaufgang laufen wir in Tilbury, dem Hafen von London ein. Wir werden bis morgen hier liegen, es wäre also Zeit genug, nach London zu fahren. Aber es zieht sich immer mehr zu, der Wetterbericht sagt Regen voraus. So bleiben wir hier, wollen später vielleicht auf das andere Themseufer nach Gravesend fahren, das ganz nett aussieht. Aber daraus wird nichts. Es regnet, mal mehr, mal weniger, später schüttet es regelrecht. So verbringen wir den Tag mit dem Austausch von Informationen mit unseren Mitreisenden.

Am nächsten Tag hat sich das Wetter wieder ein wenig gebessert. Wir denken noch einmal darüber nach, an Land zu gehen, um Gravesend einen Besuch abzustatten. Aber das Schiff wird im Laufe des Vormittags ins Containerterminal verlegt werden; so bleiben wir dann doch an Bord und lernen ein wenig Spanisch. Später verbringen wir dann im Containerterminal einen interessanten Nachmittag als Zuschauer des Ent- und Beladens. Vor allem die von Christine so genannten Containerameisen haben es uns angetan. Nach dem Abendessen legen wir ab.



Nächster Hafen ist Antwerpen. Die Fahrt durch die Schelde am Freitagmorgen vorbei am umstrittenen Kernkraftwerk Doel verfolgen wir natürlich wieder an Deck. Im Hafen liegen riesige Containerschiffe. Unseren Liegeplatz erreichen wir durch eine Schleuse. Wir sehen auch eins der neueren Schiffe von ACL, der Linie, mit der wir unsere Verschiffungen nach Nordamerika durchgeführt haben. Von Deck aus verfolgen wir wieder die Aktivitäten im Hafen. Riesige Mengen an Verpflegung werden gebunkert. Es ist spannend, wie viel Schrott für Afrika an Bord gefahren wird. Viele der Fahrzeuge sind nicht mehr fahrbereit und werden von "Pushern" ohne Rücksicht auf Verluste und Beulen an Bord geschoben. Aber es gibt auch eine große Zahl an Neufahrzeugen, von denen die meisten allerdings für Südamerika bestimmt sind. Hier in Antwerpen sind auch die restlichen Passagiere zugestiegen. Nun sind alle sechs Kabinen mit insgesamt 11 Reisenden belegt: 7 Deutsche, 2 Schweizer, 2 Franzosen. 10 werden bis Montevideo an Bord bleiben, eine Frau wird das Schiff in Dakar verlassen.




Sonntagnacht legen wir ab. Vorbei an riesigen Windkraftparks geht es durch den Ärmelkanal und die ausnahmsweise sehr ruhige Biskaya Richtung Süden. Sieben Tage dauert die Fahrt bis Dakar, Senegal (Westafrika). Bordleben ist angesagt. Der Tag wird durch die Mahlzeiten strukturiert. Frühstück zwischen 7.30 und 8.30 Uhr, Mittagessen um 11 Uhr (so frühe Zeiten kennen wir eigentlich sonst nur aus dem Krankenhaus), Abendessen um 18 Uhr. Die Mahlzeiten nehmen wir entgegen unserer Erwartung getrennt von den Offizieren ein, auch die Brücke dürfen wir nicht besuchen. Der vordere Bereich um die Brücke herum ist abgesperrt. Egal, wir haben auch so keine Langeweile. Sportprogramm im Fitnessraum und an Deck, das Gottseidank komplett frei geblieben ist, und nicht - wie sonst auf dieser Route häufig der Fall - mit Fahrzeugen vollgestellt ist. Natürlich wird auch Spanisch gelernt.



Es gibt Waschmaschine und Trockner für die Passagiere. Ab und an wird im Verlauf der Reise Wäsche gewaschen. Wir verbringen viel Zeit an Deck einfach nur mit Schauen. Delphine ziehen vorbei, später sehen wir in der Ferne auch schon einmal einen Wal. Abends müssen wir uns nach dem Essen teilweise sputen, um den Sonnenuntergang an Deck erleben zu können. Es mag langweilig klingen, aber langweilig ist es überhaupt nicht, selbst dann nicht, wenn das Wetter und die Sicht für einen Aufenthalt im Freien zu schlecht ist.




Der Geburtstag jedes Mitreisenden wird mit einer vom Koch liebevoll zubereiteten Torte gefeiert. Die wechselnden Verzierungen, die unser netter und überaus hilfsbereiter Messman Kirby auf den Cappuccino zaubert, verblüffen jedes Mal aufs Neue.

Und dann gibt es eine Übung. Alle erscheinen mit Rettungsweste, Schutzhelm und Rettungsanzug an Deck. Die Mannschaft übt das Verhalten im Brandfall, wir besteigen ein Rettungsboot und erhalten hier eine Einweisung. Was bin ich froh, dass wir nicht runtergelassen werden - Peter hätte sich hingegen darüber gefreut.




Auf Höhe der Kanarischen Inseln noch einmal europäisches Handynetz - das wird nun für lange Zeit die letzte kostengünstige Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit den Lieben zu Hause sein. Ab jetzt geht es nur noch über unser Satellitentelefon. Als wir Dakar erreichen können wir leider nicht einlaufen, da einer der beiden Liegeplätze durch die ebenfalls zu Grimaldi gehörende Grande Nigeria belegt ist. Diese wird nach einem Schaden beim Anlegemanöver von den Behörden festgehalten, bis die Angelegenheit geklärt ist. Sämtliche Grimaldi-Schiffe sind nun auf den einzig verbleibenden Kai angewiesen. So verwundert es nicht, dass neben anderen auch etliche Grimaldi-Schiffe wartend vor Anker liegen. Es ist sehr heiß und feucht, Regenzeit in Afrika. Um das Schiff herum unzählige kleine Holzboote mit Fischern.






Eine Übung mit den Rettungsbooten, die beide bei zum Teil heftigen Regenfällen zu Wasser gelassen werden und anschließend natürlich ordnungsgemäß wieder befestigt werden, vertreibt uns die Zeit ein wenig. Das Herunterlassen geht wirklich sehr schnell vonstatten, und es schaukelt auch ganz schön. Drinnen sitzen möchte Christine jetzt noch weniger als vorher schon. Aber das Zuschauen ist interessant. Ansonsten Bordleben wie schon beschrieben. Mittlerweile können wir auch fliegende Fische bewundern.




Alleine dürfen wir nicht auf das Fahrzeugdeck. Aber mit unserem Messman Kirby können wir hinunter an den MAN, um noch einiges zu holen, allerdings immer nur mit Helm und Warnweste, die einen festen Platz in unserer Kabine haben. U.a. bringen wir Mückenschutz mit nach oben. Zuvor hatte man uns hier auf dem Schiff schon Tabletten zur Malariaprophylaxe angeboten, aber die haben wir ausgeschlagen. Wir werden in Westafrika nicht an Land gehen, so dass das Risiko wohl relativ gering sein sollte.

Zu einigen Mängeln in der Kabine, auf die wir hier aber nicht näher eingehen wollen, kommt nun ein Problem hinzu: Aus der Decke tropft Wasser. In der Decke unseres Schlafraums ist der Kondens-Sammelbehälter der Klimaanlage für den gesamten Gang untergebracht; derzeit läuft diese natürlich in allen Kabinen auf Hochtouren. Und nun ist der Behälter voll und läuft über. Das nervige Tropfgeräusch müssen wir leider bis zum nächsten Tag ertragen, versuchen es mit Handtüchern etwas zu reduzieren. Erst das energische Eingreifen des Kapitäns führt am nächsten Nachmittag dazu, dass sich Schiffstechniker inklusive des Ersten Offiziers des Problems annehmen.

Zwei Tage liegen wir mit Blick auf Dakar auf Reede, bevor am Mittwoch, dem 23. August endlich die Lotsenflagge gehisst werden kann und wir anlegen können. Mittlerweile sind wir seit 16 Tagen auf der Grande America. Es wird Tag und Nacht ent- und beladen, trotzdem dauert die Prozedur bis Freitagmittag. Softdrinks und Zigaretten scheinen heiß begehrt zu sein, wandern vom Schiff nach Dakar. Ob es ohne noch länger dauern würde??? Es ist sehr heiß, so sind wir froh, dass wir uns zwischendurch immer mal wieder in der Kabine abkühlen können. Draußen kann man es nur im Schatten aushalten. An Land gehen wir nicht. Auch hier in Dakar schüttet es teilweise heftig. Teilweise steht das Deck regelrecht unter Wasser. Trotzdem nutzen wir die Regenpausen, um dem Treiben im Hafen zuzusehen, zumal es sich nach einem Regenguss meist schnell wieder beruhigt.








Selbst im Wasser des Hafenbeckens, das nicht besonders sauber aussieht, wird heftig gefischt. Ein etwas größeres Boot besetzt mit 10 Personen legt ein Ringnetz hinter dem Schiff direkt in der Nähe eines Abwasserkanals aus.


Über den Schiffen kreisen unzählige Greifvögel, fangen kleine Fische, die sie erstaunlicherweise direkt im Flug verspeisen. An der Hafeneinfahrt hatten wir beim Einfahren schon viele Kormorane gesehen. Ein Hubschrauberträger der französischen Marine, die Dixmude, liegt uns direkt gegenüber. Hubschrauber (ohne Hoheitsabzeichen) starten und landen. An Bord schwerbewaffnete Soldaten - wo die wohl hinfliegen?

Bei der Abfahrt ist das Wetter dann deutlich besser, so dass sich nun auch Fotos von der ehemaligen Sklaveninsel lohnen. Unterwegs immer wieder fliegende Fische, außerdem beobachten wir in der Ferne zwei Wale. Abends erwartet uns wieder einmal ein schöner Sonnenuntergang.



Gewarnt durch Berichte anderer Reisender hatten wir vor Ankunft in Dakar den Kapitän gefragt, ob unsere Fahrzeuge sicher seien oder ob wir "Wache schieben sollten". Er versicherte uns, dass immer jemand von der Mannschaft auf dem Deck sei, der Zugang zum Schiff und zu den Decks sei kontrolliert. Es solle also kein Problem sein. Nach Verlassen des Hafens wollen wir uns aber lieber mit eigenen Augen davon überzeugen. Ein Kontrollgang führt uns hinunter zum MAN - alles OK.

In Dakar hat der Kapitän gewechselt. Die zuvor vorhandene Absperrung zum Bereich der Brücke verschwindet. Nun sind wir jeden Morgen um 10 Uhr zum Kaffee auf die Brücke eingeladen. Die Mannschaft wird etwas lockerer, die meisten Mitglieder der Besatzung sind freundlich. Ein Wermutstropfen für uns - aus der Kapitänskabine müssen wir uns als direkte Nachbarn nun dank der schlechten Isolation der Zwischenwände schon einmal mit Musik beschallen lassen, dies aber Gottseidank nur zu Anfang. Später sinkt die Lautstärke deutlich ab. Insgesamt ist es hier auf dem Schiff bedeutend ruhiger als auf unseren bisherigen Fährfahrten.

In der Nacht zum Sonntag heftiger Regen. Bei tiefhängenden Wolken fahren wir frühmorgens auf Freetown in Sierra Leone zu. Im Wasser fallen uns sofort riesige Algenteppiche sowie große Mengen Abfall auf. Anlegen können wir erst am frühen Nachmittag, da ein Containerfrachter den Liegeplatz belegt und nicht fertig werden will.



Wir haben den Eindruck, in einer anderen Welt gelandet zu sein. Die schöne Lage der Stadt kann nicht über die ärmlichen Verhältnisse hinwegtäuschen. Viele Bauruinen, ausgedehnte Slumviertel, viel Abfall, viele, viele Menschen. Hoch oben über allem kreisen die Geier. Da versteht man, wieso so viele Afrikaner nach Europa wollen.







Das Treiben im Hafen wirkt ziemlich unorganisiert, das Ent- und Beladen scheint uns noch deutlich langsamer als in Dakar voranzugehen. Die Arbeitsmoral scheint nicht die Beste zu sein. Einer arbeitet, viele stehen oder hocken daneben und schauen zu. Auch scheint vieles erst in Gang zu kommen, nachdem genügend "cadeaux" überreicht wurden. Selbst der Lotse und sein Hiwi gehen mit Paletten 7-Up von Bord. Von den sonstigen Beobachtungen, die wir gemacht haben, wollen wir lieber erst gar nicht reden. Vielleicht nur noch eins: Was war wohl in den vielen großen Kanistern, die leer an Bord und gefüllt wieder davongetragen werden???



Nach gut 24 Stunden legen wir endlich ab, aber erst, nachdem noch Langusten an Bord genommen wurden, wo sie dann vom Koch erst einmal gut gewässert werden. Wir sind froh, den Hafen verlassen zu können und unserem Reiseziel wieder näher zu kommen. Etliche Tage auf hoher See liegen vor uns, bis wir Vitoria in Brasilien erreichen werden.



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