Amerika und das Automobil

Wir möchten vorabschicken, dass wir große Fans Amerikas und auch der Amerikaner sind. Es gibt wohl kaum ein Land, das seinen Bürgern und legalen Besuchern vergleichbare Freiheiten bietet wie die USA, das landschaftlich derartig abwechslungsreich ist usw. usw. Aber unter Freunden müssen auch Worte der Kritik erlaubt sein.

Das Leben in einem Land so groß wie die USA ist bei gleichbleibender Mobilität ohne Auto undenkbar, das Auto also unverzichtbar. Aber gerade deshalb müsste man annehmen, dass die Amis hier weltweit führend wären und anderen als Vorbild dienen könnten. Aber genau das ist nicht der Fall!

Zunächst einmal einige positive Anmerkungen zum Thema. In Amerika ist alles aufs Auto ausgerichtet, selten hat man Probleme einen Parkplatz zu finden, die Fernstraßen (Interstates) sind sehr gut ausgebaut und anders als in Europa größtenteils Maut frei. Auch die Überlandstraßen, teils sogar kleinste Landstraßen, befinden sich in einem sehr guten Zustand (dieses letztgesagte gilt übrigens nicht für den Nordosten Kanadas!). Auch die vom Staat unterhaltenen „gravel roads“ sind bei normalem Wetter gut zu befahren. Die Verkehrsdichte ist außerhalb der großen Ballungsräume ausgesprochen gering, was mit Ausnahmen (siehe weiter unten) zu einem entspannten Fahrstil beiträgt.

Im Übrigen, und das finden wir auch gut, ist in den USA vieles erlaubt – ob sinnvoll oder nicht mag dahin gestellt sein - was bei uns verboten ist. Bei der äußeren Gestaltung der Autos (Beleuchtung, Reifen, Spurverbreiterung, Höherlegen um nur einiges zu nennen) scheinen der Fantasie nur wenig Grenzen gesetzt zu sein. Stoßstangen und Bullbars, an denen manchmal auch vorne (!) noch eine Transportkiste, sogar ein Motorrad o.ä. befestigt ist, sind häufig anzutreffen. Solche Fahrzeuge würden bei uns umgehend aus dem Verkehr gezogen und still gelegt.

Nun aber zu den negativen Erscheinungen. Unsere massivste Kritik bezieht sich auf das Auto an sich. Weltweit führend sind die Amis hier auf jeden Fall was den Spritverbrauch angeht, ja man kann sagen, dass sie den Sprit, den kommende Generationen dringend benötigen, in ungeheurem Maße verschleudern. Man hätte annehmen können, dass die Automobilkrise vielleicht zu einem Umdenken geführt hat. Aber nein – die Krise ist entstanden, weil die Amis keine vernünftigen Autos kaufen wollten. Also hat die Automobilindustrie dort fortgesetzt, wo sie vor der Krise aufgehört haben, nämlich das zu bauen, was der Ami wünscht: Riesenkisten mit Riesenmotoren und oberschenkeldicken Auspuffrohren. Wenn man durch die Automeile amerikanischer Städte fährt, gewinnt man den Eindruck, dass 90 % der Fahrzeuge aus solchen Riesen-(hier Trucks genannten) Pickups bestehen. Selbst Toyota, die in Europa durchaus vernünftige Autos anbieten, produzieren z.B. in Texas mit dem Tundra eine Monsterausgabe des auch bei uns bekannten Hi-Lux mit 360 PS, im Übrigen allesamt Benziner und keiner unter 8-Zylindern. Wir wissen, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Natürlich verbrauchen wir mit unserem Großen Wagen auch etwas mehr Sprit als der Durchschnitts-Europäer. Aber unser Fahrzeug spielt auch in einer anderen Liga, nämlich der der richtigen Trucks und wird nicht als Alltagsfahrzeug genutzt. Für unsere Alltagsgeschäfte zu Hause fahren wir einen kleinen Toyota mit geringem Verbrauch, während diese sogenannten Trucks hier in Amiland als Every-Day-Fahrzeuge genutzt werden. Bezeichnend sind die Gespräche bezüglich des Verbrauchs, die wir teilweise mehrmals täglich mit neugierigen Amerikanern führen. „What mileage do you get?” Wenn wir dann unseren Verbrauch mit 12 miles per gallon angeben, hören wir eigentlich immer: That’s not too bad. – Gar nicht mal schlecht, verbraucht mein „Kleiner“ auch.

Aber damit hört die Spritverschleuderung noch bei weitem nicht auf. Schon bei Temperaturen, die wir als angenehm empfinden, fährt man mit Klimaanlage. Oder noch besser: Im Wohnmobil läuft den ganzen Tag die Klimaanlage, selbst wenn man nicht da ist. Und nachts läuft dann die Heizung! Auch wenn dieses auf vielen Campgrounds mit Strom betrieben wird, wird zumindest reichlich Energie verschleudert. Steht Strom nicht zur Verfügung, wird halt der Generator angeschmissen. Eine Erklärung hierzu hat uns einmal ein Amerikaner gegeben (durchaus ernst gemeint) – das muss sein wegen der „pets“. Dies ist besonders dann ärgerlich, wenn man irgendwo in der Natur steht, um die Natur zu genießen und dann einen solchen Krachmacher in der Umgebung hat. Aber dass Lärm ebenfalls eine Umweltbelastung ist, davon haben Viele hier noch nichts gehört – oder aber sie hören es gar nicht mehr. Wie sonst kann man die vielen RV-Resorts oder Trailer-Ghettos erklären, die direkt neben der Autobahn liegen?!?

Für kürzere (oder auch längere) Stopps schaltet zumindest ein Teil der Leute den Motor erst gar nicht ab, selbst beim Tanken! Ein Gang in den Supermarkt – der Motor läuft weiter. Die Motoren der großen LKWs laufen teilweise 24 Stunden am Tag, also rund um die Uhr.

Und weiter geht es. Nehmen wir einmal den Durchschnittsamerikaner auf einem Campground. Natürlich fährt man mit dem Auto zu den nicht weit entfernten „restrooms“, und während Mutti auf dem Sch…haus sitzt, sitzt der Herr der Maschine im Auto, dessen Motor natürlich läuft. Und nachdem sie zurück ist, dann umgekehrt.

Und wie wenig über das Thema Energie nachgedacht wird, sieht man auch an folgendem: Das durchschnittliche amerikanische RV ist ausgesprochen schlecht isoliert, dazu noch mit Glasfenstern, die Hitze oder Kälte nahezu ungedämmt durchlassen. Die Folge ist das weiter oben beschriebene Verhalten! Aber keiner kommt auf den Gedanken, vernünftig isolierte Fahrzeuge zu bauen und dadurch Energie zu sparen. Dieser ungestillte Energiehunger führt im Übrigen dazu, dass dem Land selbst der letzte Tropfen Öl mit ausgesprochen umstrittenen Methoden (Fracking) herausgepresst wird oder Offshore-Bohrinseln selbst in sensiblen Küstenbereichen errichtet werden. Umweltkatastrophen wie z.B. die vor der Küste von Texas sind die logische Folge.

Das fehlende Energiebewusstsein des Durchschnittsamerikaners führt auch im Straßenverkehr, insbesondere im besiedelten Gebiet, zu Auswüchsen, die wir bei uns glauben schon längst überwunden zu haben. Von einer koordinierten Ampelschaltung oder Grünen Welle kann nirgendwo die Rede sein. Egal, mit welcher Geschwindigkeit man fährt, man steht an fast jeder Ampel. Und so fährt man dann auch mit Vollgas auf die Ampel zu, und dann volle Pulle in die Bremse. Und wenn wir uns dann erdreisten, vor einer roten Ampel das Auto ausrollen zu lassen, um Energie zu sparen, den Wagen zu schonen, und dann bei Grün nicht von Null beschleunigen zu müssen, so wird egal ob links oder rechts überholt und sich davor gesetzt, so dass man ausgebremst wird. Gar nicht auszudenken, wie viele Gallonen sich hier einsparen ließen, so aber sinnlos verschleudert werden.

Diese Verschleuderung – man glaubt es kaum – kann noch gesteigert werden, nämlich durch die sogenannten 4-way-stops, die selbst an Durchgangsstraßen anzutreffen sind. Alle müssen anhalten und dürfen dann in der Reihenfolge des Anhaltens weiter fahren. Dies führt im besiedelten Gebiet zu einem ständigen stop and go, das ebenfalls den Spritverbrauch in astronomische Höhen treibt.

Zum Thema Energieverschleuderung könnte man durchaus noch mehr sagen, doch wenden wir uns noch einigen anderen Ärgernissen im amerikanischen Straßenverkehr zu. Obwohl, wie schon gesagt, der Verkehr im Großen und Ganzen recht entspannt verläuft, sind die großen Trucks ein ausgesprochenes Ärgernis. Denn die dürfen meistens genauso schnell fahren wie die anderen Verkehrsteilnehmer, was dazu führt, dass dort, wo 75 miles per hour erlaubt sind, die Trucks diese Geschwindigkeit auch fahren. Wir fahren hier in den USA durchaus etwas schneller als bei uns für Trucks erlaubt ist, werden trotzdem aber ständig gejagt, was auf den Interstates eigentlich kein Problem ist, auf Landstraßen, die von Trucks genutzt werden, aber immer wieder zu brenzligen Situationen führt, da die Riesentrucks teilweise rücksichtslos überholen. Aber das können die kleinen „Trucks“ auch ganz gut. Meilenweit fahren sie hinter uns her, anscheinend, weil sie erst einmal das Fahrzeug anschauen müssen, dann plötzlich hat man genug gesehen und beschließt zu überholen, das dann oft in unübersichtlichen Situationen. Wie weiter oben schon erwähnt ist das Fahren trotzdem recht entspannt, aber diese Situationen können schon ganz schön nerven.

Noch eine Bemerkung zum Fahrstil der Amerikaner. Als Fußgänger hat man gute Karten, denn für einen Fußgänger bremst man teilweise schon weit im Voraus. Ansonsten allerdings ist man stur. Abgesehen davon, dass der Fahrer vielfach mit dem Handy beschäftigt ist oder den unvermeidlichen Pappbecher einer bekannten Fast-Food-Kette in der Hand hält, fällt es im dichteren Verkehr teilweise schwer, die Fahrspur zu wechseln oder sich einzufädeln. Hier ist der Ami eher rechthaberisch und hält drauf, es gilt das Recht des Stärkeren bzw. Schnelleren. Das sieht man übrigens auch daran, dass bei LKW-Spuren am Berg z.B. immer die rechte Spur endet und sich der eigentlich langsamere Verkehr einfädeln muss, was bei uns in Europa inzwischen sinnvollerweise umgekehrt ist.

Last but not least noch eine Anmerkung zu einer weiteren Variante der Mobilität auf Amerikanisch. Gemeint ist die zunehmende, in Europa noch nicht in der Masse bekannte Verbreitung von Quads, OHVs (off highway vehicles) und dergleichen mehr. Dagegen ist ja auch grundsätzlich nichts einzuwenden, wir können uns gut vorstellen, dass es Spaß macht (könnte uns auch gefallen!). In den USA gibt es ausgewiesene OHV-Gebiete riesigen Ausmaßes, vielfach auch Sanddünen; bei uns würden jedem Naturschützer die Haare zu Berge stehen – unvorstellbar bei uns. Auch hier ist Amerika halt anders. Und das ist gut so. Bedenklich wird diese OHV-Welle allerdings dann, wenn sich die Fahrer nicht an die Regeln halten, d.h. eigentlich gesperrte Wege fahren, in gesperrten Gebieten umher brettern usw. Wir kennen sehr viele sportliche Amerikaner, für die Hiken/Biken … alles bedeutet. Nach unserer Beobachtung sind es aber gerade die, die eigentlich mehr Bewegung nötig hätten, die überall (egal ob erlaubt oder nicht) auf diesen Kisten mit lautem Getöse durch die Gegend rattern.

Ergänzung:

Nachdem wir nun in Kalifornien unterwegs sind, müssen wir feststellen, dass es hier sehr viel mehr vernünftige, spritsparende und umweltgerechte Fahrzeuge gibt. Auffallend ist der hohe Anteil von z.B. deutschen Modellen. wie BMW, Mercedes, VW; kleine Japaner sind zahlreich vertreten, selbst den Smart sieht man ab und zu. Allerdings sind hier in Kalilfornien die Spritpreise auch deutlich höher als sonst in den USA, was vielleicht auch dazu beiträgt.

Aber, wie sagte doch der typische Texaner mit Stiefeln und Cowboyhut zu uns: California does not really belong to the US.

Fortsetzung folgt bei neuen Beobachtungen!

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