Neufundland 2: Der Nordwesten - Wikinger, Elche, die ersten Eisberge

09. Juni 2016


Der Wetterbericht hat recht behalten, die angekündigte Besserung tritt tatsächlich ein. Es ist zwar nach wie vor kühl, aber es regnet nicht, die Sonne lässt sich blicken, fotogene Wolken - was will man mehr. Bis zur Pistolet Bay waren wir ja gekommen, nun schauen wir uns die nördlichen Zipfel an. Über Cook's Harbour fahren wir hinaus zum Cape Norman. Unterwegs sehen wir am Straßenrand, teilweise weitab von jeder Siedlung, immer wieder kleine "Gärten", die von den Einheimischen nach dem Straßenbau angelegt worden sind und nun zum Gemüseanbau genutzt werden. Außerdem liegt überall Unmengen an Holz herum, Vorbereitung auf den langen Winter. Die großen Schlitten, mit denen es im Winter zu den entfernt liegenden Häusern transportiert wird, stehen betriebsbereit direkt daneben.

Im Bereich ausgedehnter Sumpfebenen immer wieder Hinweisschilder auf Elche. Und in der Tat sehen wir entlang der Strecke, die wir mehrfach befahren, unglaublich viele Elche und vereinzelt auch Karibous.


Der kleine Ort Cook's Harbour liegt irgendwie ein wenig am Ende der Welt; man wundert sich, wovon die Leute leben. Hier können wir Fischadler weit oben in ihrem Horst und Weißkopfseeadler beobachten.


Cape Norman ist der nördlichste Punkt Neufundlands, der mit dem Fahrzeug erreichbar ist (noch etwas weiter nördlich liegt Cape Bauld an der östlichen Spitze). In eindrucksvoller Kalkstein-Landschaft steht hier ein Leuchtturm. Die raue, zerklüftete Küste, die teilweise noch von Schnee bedeckt ist, gefällt uns ausgesprochen gut. In der Ferne sehen wir die Küste Labradors, außerdem treiben Eisberge vorbei.

Erstaunlicherweise wachsen hier Pflanzen, u.a. auch bedrohte Arten. Eine davon, eine Weidenart, blüht gerade.


Wir verbringen die Nacht in der Gegend, bewundern die Eisberge vor der Küste von Labrador und erleben einen schönen Sonnenuntergang.


Auch Cape Onion lohnt den Abstecher; an der Küste Eisberge, Wale sehen wir allerdings keine. Dafür ist es nach Auskunft der Einheimischen noch ein wenig zu früh, man rechne aber jeden Tag mit dem Eintreffen der Meeresgiganten. Auf dem Rückweg ein weiterer Abstecher - das Burnt Cape Provincial Ecological Reserve liegt sowieso nahezu an der Strecke. Über eine Piste fahren wir hinauf in das Schutzgebiet, in dem seltene Pflanzen zu finden sein sollen. Blühende Pflanzen sind derzeit nur wenige zu sehen, auch dafür ist es hier wohl noch etwas früh. Übernachten ist im Gebiet nicht erlaubt, aber außerhalb finden wir einen guten Platz für die Nacht.


Am nächsten Morgen besuchen wir die L'Anse aux Meadows National Historic Site, ein UNESCO Weltkulturerbe. Die ersten Europäer, die schon um das Jahr 1000 in Nordamerika landeten, waren die Wikinger - dies nicht nur den isländischen Sagas nach, sondern inzwischen auch archäologisch belegt. Leif Eiriksson, dessen Denkmal an der Küste steht, leitete diese erste Expedition. Von den alten Bauten ist nichts mehr erhalten; im Gelände sind aber die Strukturen der ehemaligen Siedlung noch zu erkennen. In unmittelbarer Nachbarschaft hat man eine solche Siedlung nachgebaut. Im Inneren der Gebäude erhält man eine Vorstellung davon, wie die Menschen damals gelebt haben.


Das "Living Museum", das nicht weit entfernt liegt, schauen wir uns nicht an. Dafür haben wir aber an der Küste Gelegenheit, größere Eisberge zu sichten. Auf dem Parkplatz der Anlage haben wir dann auch noch Gelegenheit, eine Elchkuh mit ihrem Jungen ausführlich zu beobachten.

Auf einer - wie so häufig - schlechten Straße fahren wir Richtung St. Anthony. Neufundländische Straßen sind ein Thema für sich - teilweise übersät mit Schlaglöchern und Frostaufwölbungen. Fast noch schlimmer sind aber die stellenweise tiefen Quer-Dipps, die durch Frostaufsprengungen entstanden sind. Diese sind häufig nicht zu erkennen; fährt man ungebremst hinein, so knallt es ganz schön. Unterwegs an der Küste immer wieder Eisberge. Die in den höchsten Tönen angepriesenen Wanderungen hier im Ort vom Fishing Point aus sind ganz nett, aber die bisher gesehenen Küstenabschnitte finden wir deutlich interessanter und weniger besucht. Vielleicht liegt es auch daran, dass Eisberge an diesem Teil der sogenannten Iceberg Alley derzeit nicht zu sehen sind, Wale leider auch nicht (siehe oben).

Nach mehreren Tagen in der großartigen Landschaft machen wir uns auf den langen Rückweg entlang des Viking Trails. Immerhin sind bis zum Gros Morne Nationalpark etwa 400 km zurückzulegen. Immer wieder sehen wir Elche. Da wir nun bei deutlich besserem Wetter als auf dem Hinweg unterwegs sind, schauen wir uns Flower's Cove ausführlicher an. Der fotogene Leuchtturm war auf der Hinfahrt im Nebel gar nicht zu entdecken. Wir wandern zu den sogenannten "White Rocks", wieder eine Kalkstein-Landschaft. Hier ist es wärmer als an der Nordspitze, und so finden sich zahlreiche blühende Blumen. Natürlich schauen wir uns auch die Thromboliten an. Was wie Fels aussieht und sich auch so anfühlt sind tatsächlich Lebewesen - eine sehr primitive Lebensform. Etwas Ähnliches findet man auf der Welt ansonsten nur noch in Australien im Hamelin Pool in der Shark Bay.


An der Fährstation St. Barbe, wo die Labrador-Fähren ankommen und ablegen, wundern wir uns ein wenig über die Hinweistafeln Alkohol betreffend. Es wird doch gar keine Grenze überschritten. Aber in Neufundland und Labrador will man halt anscheinend noch etwas strikter sein als sonst in Canada. Erstaunlicherweise gibt es aber trotzdem selbst in kleineren Ortschaften einen Liquor Express, wo zu teuren Preisen Hochprozentiges verkauft wird.

Port au Choix ist einerseits ein netter Fischerort, andererseits eine National Historic Site. Da das Visitor Center "closed for the season" ist, erschließt sich uns die Bedeutung nicht so ganz, aber der Leuchtturm mit den roten Stühlen ist durchaus fotogen. Und von den Stühlen aus entdecken wir sogar die ersten Wale weit draußen in der Bucht.


Es blüht einiges. Auch Kalkstein kommt hier im Ort wieder vor, teilweise bewachsen mit schönen Flechten. Auf dem anscheinenden Ödland in der Umgebung des Leuchtturms wachsen etliche Pflanzen, darunter auch bedrohte Arten.


Wir fahren noch ein Stück weiter, um morgen keine zu lange Anfahrt zum Gros Morne Nationalpark zu haben, denn wir wollen früh zu einer Wanderung starten. An einem Platz mit schöner Aussicht oberhalb der Küste bleiben wir. Es ist ziemlich windstill, auch nicht ganz so kalt - endlich mal wieder Gelegenheit für ein Lagerfeuer.

Am nächsten Tag ist es dann leider bedeckt, so dass im Arches Provincial Park, der nicht weit vom Nationalpark entfernt ist, keine wesentlich besseren Fotobedingungen herrschen als auf dem Hinweg. Aber auch hier blüht in der Zwischenzeit einiges.


Die Sicht wird ein klein wenig besser, und so wandern wir im Gros Morne National Park zum Western Brook Pond. Der Western Brook Pond ist ein ehemaliger Fjord, der aber heute vom Meer abgetrennt ist. Das Wasser hat Trinkwasserqualität, er zählt zu den saubersten Seen der Welt. Unterwegs viele blühende Pflanzen. Und - rote Stühle! Für eine Bootstour, die am Endpunkt der Wanderung startet, ist uns einerseits das Wetter nicht gut genug, andererseits ist Sonntag. Da wird es sicherlich voll werden. Und so ist es denn auch, auf dem Rückweg kommen uns ganze Scharen entgegen, die zur Bootsanlegestelle unterwegs sind, um das in der Vorsaison nur einmal täglich fahrende Boot zu nehmen.


So schauen wir uns noch das Lobster Cove Lighthouse an; die ehemaligen Wohnräume können besichtigt werden. Dann fahren wir für die Nacht an einen See, wo wir einen weitgereisten Australier treffen. Am Abend bessert das Wetter sich weiter, so dass wir am Lagerfeuer sitzen können und die letzten Tage Revue passieren lassen. Insgesamt hat uns dieser nordwestliche Teil Neufundlands ausgesprochen gut gefallen. Den Gros Morne Nationalpark, der häufig als das absolute Highlight Neufundlands bezeichnet wird, finden wir allerdings etwas überbewertet. Höhepunkt der Nordwest-Halbinsel ist für uns eindeutig der nördliche Bereich mit Cape Norman und L'Anse aux Meadows.


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